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Modernisierung der arbeitsgesetzlichen Grundlagen – durchdachte Konzepte gefragt

Die Arbeitswelt verändert sich. Der Flexibilisierungsbedarf nimmt aufgrund wirtschaftlicher Instabilitäten, verkürzter Produktlebenszyklen, veränderter Bedürfnisse auf dem Absatz- und Arbeitsmarkt sowie der Möglichkeiten der Digitalisierung und Vernetzung von realer und virtueller Welt zu. Nachfolgend einige Ansätze, die sowohl bei Arbeitgebern als auch auf der Arbeitnehmerseite auf Akzeptanz stossen könnten.

In der Diskussion rund um mehr Arbeitsflexibilität sind die Fronten meistens klar: Die Arbeitgeberseite wollen ihre Handlungsspielräume erweitern, um auf Auslastungsschwankungen besser zu reagieren und effizienter zu wirtschaften. Gewerkschaften fürchten ungesund lange Arbeitszeiten und die Streichung von Überstundenzuschlägen. Doch auch auf Arbeitnehmerseite steigen Bedürfnisse nach Arbeitszeitsouveränität und selbstbestimmter Arbeit, unter anderem um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. Gerade der drohende Fachkräftemangel und die Verflechtung von Digitalisierung mit individualisierten Bedürfnissen erhöhen die Möglichkeit für Mitarbeitende, bei der Gestaltung der Arbeitsformen verstärkt Einfluss auf ihre Arbeitszeit zu nehmen.

Tatsache ist, dass viele Arbeitsweisen mit den heutigen arbeitsgesetzlichen Grundlagen nicht kompatibel sind. Wer zulässt, dass am Sonntag gearbeitet wird, macht sich nach Arbeitsgesetz strafbar. Ebenfalls klar ist, dass die psychosozialen Belastungen durch Arbeitsdruck und –dichte stark zugenommen haben. Der Bedarf nach einem konsequenten Gesundheitsmanagement in den Betrieben ist ausgewiesen.

Die SKO befürwortet eine gezielte Modernisierung der aus dem industriellen Zeitalter stammenden Arbeits- und Ruhezeitvorschriften im Arbeitsgesetz (ArG), welche die heutigen Bedürfnisse aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmersicht berücksichtigen. Immer weniger sind Beschäftigungsverhältnisse normiert und Arbeitszeiten sind nicht mehr standardisiert und an den Arbeitsort des Betriebs gekoppelt. Um Arbeitgeber und Arbeitnehmerinteressen zusammenzuführen, braucht es Ansätze, bei der mehr Flexibilität auf Seiten der Arbeitnehmer mit Gegenleistungen des Arbeitgebers in Form eines ausgedehnten Gesundheitsschutzes und durch Kompensationsmöglichkeiten ausgeglichen werden.

Parlamentarische Initiative

Die Initiative von Ständerat Konrad Graber umfasst sowohl die Arbeitszeiterfassung als auch die Aufweichung der Arbeits- und Ruhezeiten. Grundsätzlich setzt diese Initiative an den richtigen Hebeln an. Dank der Zusammenarbeit zwischen der
"allianz denkplatz schweiz" und der "plattform" (SKO, KV, Angestellte Schweiz, zgp, VEB) im Vorfeld der parlamentarischen Diskussion konnte diese parlamentarische Initiative so angepasst werden, dass sie sowohl die Bedürfnisse der Arbeitgeber (AG) als auch der Arbeitnehmenden (AN) berücksichtigt. Gegenwärtig wird diskutiert, ob statt einer Gesetzesänderung eine gezielte Anpassung der Verordnung für ausgewählte Branchen eine Option wäre, um den Widerstand der Gewerkschaften zu umgehen. 

Ein Ansatz für eine ausgewogene Modernisierung

Will die Schweiz ihren Vorsprung als innovatives Land behalten, muss sie arbeitsgesetzliche Bedingungen schaffen, die moderne flexible Wissensarbeit ermöglichen. Eine Modernisierung muss aus Sicht der SKO folgende Grundprinzipien berücksichtigen:

  1. Partnerschaftlicher Ansatz: Die Gestaltung der Arbeits- und Ruhezeit muss einerseits die Geschäftserfordernisse berücksichtigen, andererseits auch einen Spielraum für Arbeitnehmende beinhalten. Es braucht deshalb einen dialogischen, partnerschaftlichen Aushandlungsprozess, der die sich über die Zeit immer wieder verändernden Bedürfnisse sowohl der AN als auch der AG gleichermassen berücksichtigt. Das heisst, dass der Grad der Arbeitszeitflexibilität zu 50% vom Arbeitnehmer innerhalb definierter Regeln und unter Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse bestimmbar sein soll, sowohl was die Arbeitszeit als auch die Kompensationszeit angeht.
  2. Förderung der Eigenverantwortung der Arbeitnehmenden, wo möglich und vertretbar: Eine oben definierte Handlungsautonomie stärkt auch die Eigenverantwortung des AN.
  3. Weniger Regeln: Das heutige ArG ist bezüglich Arbeits- und Ruhezeitvorschriften für das oben definierte Cluster zu stark reglementiert. Die Vorschriften müssen Flexibilität ermöglichen, ohne dass die notwendige Ruhezeit vernachlässigt wird.
  4. Einbau von roten Ampeln: Die Flexibilisierung hat Grenzen, die in der gesetzlichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers begründet liegt. Es braucht deshalb einen Ausbau des Gesundheitsschutzes vor allem im Bereich der psychosozialen Risiken zur Vermeidung von prekären Arbeitsverhältnissen und zur Sicherstellung eines guten Gesundheitsniveaus 
  5. Wichtig bleibt das Verhältnis zwischen Erholungs- und Arbeitszeit. Denn je weniger Erholung möglich ist, desto stärker steigt der Erholungsbedarf.

Differenzierung zwischen Arbeits- und Ruhezeitvorschriften und Arbeitszeiterfassung

Die Lockerung der Arbeitszeit- und Ruhevorschriften soll nur für das Cluster der Führungs- und höhere Fachkräfte gelten, die über eine gewisse Autonomie in der Arbeitszeitgestaltung im Rahmen eines Jahresarbeitszeitmodells verfügen. Gegenwärtig bestehen sechs ins Detail gehende Gesetzesartikel zu Arbeits-, Ruhezeiten und zur Sonntagsarbeit. Wissensarbeitende und ihre Vorgesetzte, welche die neuen Arbeitsformen nutzen wollen, sind mit diesen Vorschriften überfordert. Deshalb ist eine leichte Reduktion der Ruhezeiten und eine Anhebung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit bis 60 Stunden sinnvoll, sofern über das Jahr kompensiert werden kann. Dieses Cluster kann freiwillig und ausserhalb des Betriebs Sonntagsarbeit leisten. Statt einer Vielzahl von langen Gesetzestexten braucht es für dieses Cluster noch drei Bestimmungen, um eine flexible Einteilung der Arbeit über die Arbeitswoche zu ermöglichen: 

  1. Die Jahresarbeitszeit beträgt 52x45h.
  2. Die Höchstarbeitszeit pro Woche darf 60 Std. nicht überschreiten
  3. Vereinfachung der Ruhe- und Arbeitszeitvorschriften: Ausdehnung des täglichen Arbeitszeitraums auf 15 Stunden und dementsprechend eine mögliche Verkürzung der Ruhezeit auf 9 Stunden (im Durchschnitt über 4 Wochen 11 Stunden)

Ohne Gesundheitsschutz keine Ausdehnung Flexibilisierung

Organisationale Gesundheit wird zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor für ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen. Die Berücksichtigung von psycho-sozialen Belastungsfaktoren und umfassende Konzepte zum Erhalt der Ressourcen sind nicht nur eine Frage sozialer Verantwortung, sondern machen auch ökonomisch Sinn. Eine Flexibilisierung der Arbeits- und Ruhezeitvorschriften für einzelne AN-Clusters erfordert ein klares Bekenntnis zu einem umfassenden Gesundheitsschutz. Dieser ist zwar schon heute im ArG verankert. In der Realität ist es so, dass viele Branchen sich eher nach einem alten Gesundheitsverständnis orientieren, das auf Risikofaktoren im Hinblick auf Unfälle im Betrieb ausgerichtet ist. Ein zeitgemässer Fokus muss sich auf die gesund erhaltenden psychosozialen Faktoren, Ressourcen und Potentiale von Arbeitnehmer ausrichten, die für die Auseinandersetzung mit und Bewältigung von Belastungen wichtig sind. Arbeitgeber sollen nicht nur fragen, was die Beschäftigten tun müssen, um gesund zu bleiben, sondern auch, welche Strukturen für eine „gesunde Organisation“ notwendig sind. Es geht also bei der Entwicklung einer betrieblichen Gesundheitskultur nicht nur um Abbau von Gefährdungen, sondern um die Beteiligung, Wertschätzung und Förderung des selbstverantwortlich aktiv handelnden Arbeitnehmers. Ein präventives Gesundheitsmanagement muss sich zur Aufgabe machen, nicht nur die individuellen, sondern auch die betrieblichen Ursachen von Stress anzugehen.

Folgende gesetzliche Verankerungen erachtet die SKO deshalb als sinnvoll:
  • Verpflichtung der Arbeitgeber zu Präventionsmassnahmen. Diese sollten ein regelmässiges Monitoring der Qualität und Quantität von Arbeit und Gesundheit der Arbeitnehmer, die Sensibilisierung und Weiterbildung von Führungskräften sowie die Mitwirkungsmöglichkeit der Arbeitnehmer bei der Festlegung von Gesundheitsmassnahmen beinhalten.
  • Branchenlösungen sind zu bevorzugen, um sicherzustellen, dass die Alltagstauglichkeit von Mindestvorschriften und Empfehlungen für KMU gewährleistet wird.

Auf der politischen Ebene erachtet es die SKO als sinnvoll, wenn die zahlreichen Aktivitäten, Initiativen und Beteiligungen des Bundes im Rahmen des Gesundheitsmanagements (EKAS, Gesundheitsförderung Schweiz, SUVA) im Sinne eines gesamtheitlichen arbeitsbezogenen Gesundheits- und Präventionssystems zielgerichteter auf einander abgestimmt werden.

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