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Coronavirus und rechtliche Auswirkungen auf den Arbeitsplatz

Die Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19) führt seit Wochen in der Schweizer Wirtschaft sowie bei dessen Bevölkerung zu grosser Verunsicherung und zu spürbaren Auswirkungen. Entsprechend stellen sich bei den Arbeitgebern, HR-Abteilungen sowie Führungskräften Fragen zu den rechtlichen Auswirkungen in Bezug auf den Arbeitsplatz, welche Rechte und Pflichten Arbeitgeber bzw. Arbeitnehmer haben und welche Massnahmen zu treffen sind. In diesem Artikel sollen die 16 aktuellsten rechtlichen Fragen beantwortet werden.

Der Bundesrat hat darauf eine Verordnung erlassen (Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (COVID-19). Bis 26. April gilt ein Veranstaltungsverbot für öffentliche oder private Veranstaltungen, und Ansammlungen von mehr als 5 Personen sind verboten. Non-Food-Läden, Restaurants, Bars, Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe sowie Schulen bleiben geschlossen. Ausgenommen sind unter anderem Lebensmittelläden und Gesundheitseinrichtungen.

Gemäss Medienmitteilung vom 16.4.2020 erfolgt der bundesrätliche Ausstieg aus dem Krisenmodus in mehreren Etappen. Erstmals gelockert werden die Massnahmen am 27. April mit der Öffnung von Gartencentern, Baumärkten und Coiffeur-Geschäften. In einem zweiten Schritt werden ab 11. Mai die obligatorischen Schulen sowie die Einkaufsläden und Märkte wieder öffnen. Die Hygiene- und Abstandsregeln gelten weiterhin und Treffen von mehr als fünf Personen bleiben in der Öffentlichkeit verboten. Ab 8. Juni sollen in einem dritten Schritt die Mittel-, Berufs- und Hochschulen wieder Präsenzveranstaltungen abhalten dürfen und das Versammlungsverbot gelockert werden.

1. Welche generellen Schutzpflichten trifft ein Arbeitgeber?

Jeder Arbeitgeber hat gebührend auf die Gesundheit und Sicherheit seiner Arbeitnehmer zu achten. Dies fliesst aus seiner Fürsorgepflicht und es gelten u.A. die einschlägigen Bestimmungen im Obligationenrecht (z.B. Art. 328 OR) und im Arbeitsgesetz bzw. dessen Verordnungen (z.B. Art. 6 ArG / ArGV 3). Darunter fällt auch, dass ein Arbeitgeber die gebotenen und zumutbaren Präventionsmassnahmen ergreift, um Ansteckung oder Verbreitung von Krankheiten am Arbeitsplatz zu verhindern. Es ist zudem daran zu erinnern, dass im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsschutzes Informations-, Mitwirkungs- und Mitspracherechte der Arbeitnehmer gemäss Arbeits- und Mitwirkungsgesetz gelten.

2. Hat der Arbeitgeber die Belegschaft über konkrete Gesundheits- und Hygienevorschriften zum Corona-Virus zu informieren?

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat hierzu (Stand 5.3.2020) diverse Verhaltensregeln publiziert:

  • Abstand halten («Social Distancing»)
  • Gründlich Hände waschen
  • Händeschütteln vermeiden
  • In Taschentuch oder Armbeuge husten und niessen
  • Papiertaschentuch nach Gebrauch in geschlossenen Abfalleimer
  • Bei Fieber oder Husten zu Hause bleiben
  • Arztbesuch erst nach telefonischer Absprache.

Obwohl das BAG noch keine besonderen Anordnungen für Betriebe erlassen hat, sind auch Arbeitgeber angehalten, diese Massnamen umzusetzen (z.B. mittels interner Kommunikation und Aushängen) und laufend anzupassen.

3. Gibt es Hilfsmittel für Betriebe in Bezug auf Präventions- oder Sicherheitsmassnahmen?

Das BAG und SECO bieten Informationen auf deren Webseiten an, z.B. ein ausführliches SECO FAQ «Pandemie und Betriebe» inkl. Antworten zu rechtlichen Fragen sowie ein Handbuch («Pandemieplan: Handbuch für die betriebliche Vorsorge»).

4. Kann der Arbeitgeber Präventionsmassnahmen im Betrieb durchführen?

Arbeitgeber können empfohlene oder zweckdienliche Präventionsmassahmen im Betrieb umsetzen:

  • Desinfektionsmittel und Schutzmasken zur Verfügung stellen
  • Zusätzliche Reinigungsmöglichkeiten bereitstellen
  • Aufteilung von Büroräumlichkeiten und Teams bzw. befristete Arbeitsplatz-Verlagerung
  • Verzicht auf physische Meetings, stattdessen Telefon- oder Videokonferenzen
  • Verzicht auf Mitarbeiterversammlungen/Townhalls
  • Verbot von Mitarbeiteransammlungen, Kundenbesuchen und Geschäftsreisen
  • Anbieten von Homeoffice (falls möglich)


5. Darf der Arbeitgeber Homeoffice anordnen?

Der Arbeitgeber kann Arbeitnehmer anweisen, für eine befristete Zeit Homeoffice auszuüben, falls diese Arbeitsart im Arbeitsvertrag vorgesehen ist. Das einseitige und befristete Anordnen von Homeoffice dürfte aktuell durchsetzbar sein, selbst wenn der Arbeitsvertrag keine Homeoffice-Bestimmungen vorsieht, sofern dies für den Arbeitnehmer möglich und zumutbar ist (Art der Arbeit, Vorhandensein von Räumlichkeiten und technischer Geräte, Zugang zu Daten etc.).


6. Wenn ich im Homeoffice arbeiten muss, bekomme ich dann eine Entschädigung für die Umkosten daheim?

Nein, der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmenden keine Auslagenentschädigung (Stromkosten, Beiträge an Mietkosten o.ä.) zahlen, da es sich nur um eine vorübergehende Anordnung handelt. Die Arbeitgeber müssen aber geeignere organisatorische unt technische Massnahmen treffen, im Homeoffice zu ermöglichen. Diese müssen mit einem vernünftigen Aufwand realisierbar sein. (Quelle FAQ BAG

Bisher scheiterte eine Verschärfung jeweils auch daran, dass Firmen bei einer Pflicht Kosten zum Beispiel für die Ausstattung fürs Homeoffice hätten übernehmen müssen. Das hat der Bundesrat nun explizit ausgeschlossen. Dies dürfte mitentscheidend gewesen sein, dass die neue Regel nun auch von den bürgerlichen Bundesräten akzeptiert wurde. Wer also für die Heimarbeit Ausstattung braucht, sei es Bürotisch oder Bildschirm, muss darauf hoffen, dass der Arbeitgeber freiwillig einen Beitrag zahlt, so wie das etwa Novartis macht. Sonst bleiben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selber auf den Kosten sitzen.

Klar ist aber: Die Arbeitgeber müssen die «geeigneten organisatorischen und technischen Massnahmen» für Homeoffice treffen. Heisst: Einen Laptop zum Beispiel muss der Arbeitgeber zur Verfügung stellen, wenn er zum Arbeiten gebraucht wird.


7. Darf der Arbeitgeber seine Mitarbeiter medizinisch überprüfen?

Generelle medizinische Überprüfungen bei Arbeitnehmern sind nicht zulässig. In der aktuellen Situation kann es aber zulässig sein, konkrete Überprüfungshandlungen vorzunehmen, wie z.B. Fragebogen (zwecks Abklärung: Risikogruppe, Prädisposition, Reiseverhalten) oder Temperaturmessung vor Zutritt. In jedem Fall sind Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter zu schützen sowie bei Datenerhebungen die datenschutzrechtlichen Bestimmungen einzuhalten.

8. Darf der Arbeitgeber verlangen, dass sich Arbeitnehmer gegen die Grippe impfen lassen?

Ein genereller Impfzwang am Arbeitsplatz wäre nicht zulässig und selbst beim Ausbruch einer Pandemie kaum durchsetzbar. Bei besonders exponierten Berufsgruppen (z.B. Ärzte/Pflegepersonal mit direktem Kontakt zu gefährdeten Patienten) könnte sich eine Impfpflicht aufdrängen. Konkrete Praxisbeispiele fehlen aber noch weitgehend.

9. Dürfen Arbeitnehmer wegen einer möglichen Ansteckungsgefahr die Arbeit verweigern?

Falls konkrete Gründe vorliegen, z.B. wenn der Arbeitgeber Hygiene- oder Schutzvorschriften offensichtlich nicht einhält, kann ein Grund zur Arbeitsverweigerung vorliegen. In diesem Fall besteht weiterhin Anspruch auf Lohn. Bleibt ein Arbeitnehmer jedoch aus rein subjektivem Grund (Angst vor Ansteckung mit Corona-Virus) zu Hause, so liegt grundsätzlich eine unbegründete Arbeitsverweigerung vor und der Lohnanspruch entfällt und es drohen sogar Disziplinarmassnahmen.

10. Dürfen Arbeitnehmer zur Leistung von Mehrarbeit verpflichtet werden?

Auch in einem Pandemiefall gelten die Grundsätze zur Leistung von Überstunden/Überzeit weiter. Sofern es die konkreten Umstände erfordern und das Leisten von Mehrarbeit den Arbeitnehmern zumutbar ist, können solche Mehrleistungen verlangt werden. Im Falle eines grossflächigen Pandemieausbruchs muss mit dem Ausfall vieler Mitarbeitern gerechnet werden. In solchen Situationen erscheint das Leisten von Überstunden bzw. Überzeit als in den meisten Fällen gerechtfertigt, wobei auch hier auf die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen ist (Zumutbarkeit, persönliche Situation, Familienpflichten etc.).

11. Dürfen Mitarbeiter mit Familienpflichten bei Schulschliessung der Arbeit fernbleiben?

Bei Schulschliessung infolge Corona-Virus dürfen Mitarbeiter zwecks Kinderbetreuung zu Hause bleiben. Grundsätzlich besteht dieses Recht während bis zu drei Tagen; danach gilt es als zumutbar, eine entsprechende Betreuungslösung zu finden. Rechtlich umstritten ist, ob Arbeitnehmer während dieser Abwesenheit auch einen Anspruch auf Lohnfortzahlung haben. Eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu fehlt.

12. Darf der Arbeitgeber Anweisungen zum Reiseverhalten der Arbeitnehmer machen?

Arbeitgeber dürfen in der vorliegenden Situation Geschäftsreiseverbote aussprechen. Schwieriger wird es in Bezug auf private Reisen der Arbeitnehmer. Ein generelles Verbot, Mitarbeitern das private Reisen in gewisse Regionen zu untersagen, ist rechtlich wohl zu weitgehend. Mitarbeiter müssen aber damit rechnen, dass Arbeitgeber sie in solchen Fällen während einer bestimmen Dauer vom Betriebszutritt ausschliessen. Die Frage der Lohnfortzahlung muss gesondert und im Einzelfall beurteilt werden. In der aktuellen Situation bestehen aber gute Gründe, dass verlangt werden kann, dass Arbeitnehmer den Arbeitgeber proaktiv über geplante Reisen in gefährdete Gebiete informieren. Im Einzelfall kann es die Treuepflicht sogar gebieten, auf solche Reisen einstweilen zu verzichten.

13. Wie gilt, wenn Arbeitnehmer infolge Einstellung des Flugverkehrs nicht mehr rechtzeitig aus den Ferien zurückreisen können?

Der Arbeitsverhinderungsgrund liegt hier nicht persönlich beim Arbeitnehmer (er ist nicht vom Corona-Virus befallen). Dieser Sachverhalt fällt aber dennoch in die Risikosphäre des Arbeitnehmers. Er erscheint zwar entschuldigt nicht zur Arbeit. In Bezug auf den Lohn gilt aber der Grundsatz «Lohn gegen Arbeit». Und da er seine Arbeit nicht rechtzeitig anbieten kann, erhält er für diese Zeit auch keinen Lohn.

14. Erhält ein am Corona-Virus erkrankter Arbeitnehmer weiterhin den Lohn?

Es handelt sich um eine unverschuldete Arbeitsverhinderung und der Arbeitnehmer hat in der Regel weiterhin Anspruch auf Lohnfortzahlung (Art. 324a OR bzw. Krankentaggeldversicherung).

15. Was gilt, wenn der Arbeitgeber präventiv entscheidet, einen Betrieb zu schliessen?

Es liegt keine behördliche Anordnung vor und der Arbeitgeber wäre weiterhin verpflichtet, den betroffenen Arbeitnehmern den Lohn zu bezahlen und die Mitarbeiter schulden grundsätzlich keine Nachholung der ausgefallenen Tage.

16. Was gilt, falls der Betrieb aufgrund einer behördlichen Anordnung geschlossen wird?

Die Rechtsfolge ist nicht restlos geklärt. Oft wird argumentiert, dass eine pandemiebedingte behördliche Schliessung weder in die Risikosphäre des Arbeitgebers noch in diejenige des Arbeitnehmers fällt. Es wird von einer unverschuldeten Unmöglichkeit der Leistungserbringung beider Parteien gesprochen. Entsprechend dem Grundsatz «Lohn gegen Arbeit» würde dann auch die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers entfallen.

17. Können Betriebe Kurzarbeitsentschädigung (KAE) verlangen, falls der Betrieb aufgrund einer behördlichen Massnahme geschlossen wird?

Wenn die Betriebsschliessung von einer Behörde angeordnet wurde (und somit nicht durch den Betrieb verschuldet) und dadurch ein anrechenbarer Arbeitsausfall entsteht, kann der Betrieb für die betroffenen Mitarbeiter zeitlich befristet Kurzarbeitsentschädigung verlangen (sofern auch die übrigen Voraussetzungen gegeben sind). Diverse Betriebe haben in der aktuellen Situation auch aus anderen Gründen bereits (erfolgreich) KAE verlangen können, z.B. Kundenausfall infolge behördlichem Versammlungsverbot.


Dominic Steffen

lic.iur., Rechtsanwalt / Attorney-at-Law; Mitglied des SKO Anwaltspools
Partner in der Anwaltskanzlei Winzeler Steffen Rechtsanwälte, Zürich
Tel: +41 44 252 60 10 dominic.steffen@wslaw.ch www.winzelersteffen.ch

Seine Spezialgebiete umfassen:

  • Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht, inkl. Datenschutz
  • Gesellschaftsrecht
  • Ansiedlungs- und Aufenthaltsrecht
  • Prozessrecht

 

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Foto: Karin Hofer / NZZ